Im Jahr 1934 herrschte eine für die heutige Generation kaum vorstellbare wirtschaftliche Not. Viele waren arbeitslos und bekamen nicht einmal eine Arbeitslosenunterstützung. Aufgrund von Zeitungsinseraten meldeten sich Personen zum Erwerb einer Siedlerstelle bei der GESIBA. Es waren meist Menschen in größter Not, zum Teil kränklich oder obdachlos.
Um eine Siedlerstelle zu bekommen, war der Erlag von ATS 500.- (ca. € 36) als Eigenmittel erforderlich. Zur damaligen Zeit war das sehr viel Geld und die Menschen nahmen größte Opfer auf sich um das Geld aufzutreiben. Außerdem wurde den Siedlungswerbern ein Darlehen von ATS 5000.-gewährt, dessen Raten mit 14tägiger Frist zurückgezahlt werden mußte. Andernfalls verlor man die Siedlerstelle einschließlich Eigenmittel.
Nachdem die Eigenmittel aller Siedlungswerber eingezahlt waren, begannen die Arbeiten. Zu diesem Zweck wurde ein aus den Siedlungswerbern bestehender Arbeitsdienst gegründet, bei dem die Leute im Schnitt um die ATS 10.- wöchentlich als Arbeitslosenunterstützung bekamen.
Jeden Tag kamen nun diese Leute, zum Teil vom andern Ende der Stadt, um bei jedem Wetter mit schlechter Kleidung und wenig Essen und den einfachsten Werkzeugen ausgestattet, die Siedlungshäuser zu errichten.
Im Jahr 1936 waren die kleinen Häuser (30m2) bezugsfertig.
Allerdings ohne Wasser, Strom oder Gas!
Der Boden der Grundstücke bestand je nach Wetter entweder aus Schlamm oder aus Staub. Es dauerte sehr lange bis darauf etwas wuchs. Schatten gab es keinen und in den kleinen Häusern war es heiß wie in einer Sauna.
Rund um die Siedlung gab es so gut wie nichts außer Feldern und die Leute mußten bis zu 2km bei jedem Wetter zu Fuß und bei Regen durch 20cm Schlamm in den Ortskern gehen um einzukaufen oder ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen.
1938 wurde den Siedlern ein Schriftstück (die so genannte Niederschrift) ausgefolgt. Darin wurde unter anderem festgehalten, dass den Siedler ein Darlehen von ATS 5000.- gewährt wurde das in monatlichen Raten inklusive Zinsen zurückgezahlt werden mußte. Das waren einschließlich Eigenmittel ATS 5500.- an Kosten für Grund und Baumaterial. Denn aufgebaut wurden die Siedlungshäuser von den Menschen aus eigener Kraft. Für die damalige Zeit war der Betrag von ATS 5500.- nicht wenig! Den Siedlern wurde in weiterer Folge die Errichtung eines Baurechtsvertrages in Aussicht gestellt von dem sich die Leute eine Eintragung ins Grundbuch und den Übergang ins Eigentum erhofften. Doch darauf sollten sie noch lange warten.
1963 war es dann erstmals soweit. Und die Enttäuschung der Leute war niederschmetternd. Denn obwohl die Leute die ganze Siedlung aus eigener Kraft aufgebaut hatten und auch Grund und Baumaterial selbst bezahlt hatten, stand in den Baurechtsverträgen kein Wort von Eigentum.
Im Endeffekt ging daraus hervor, dass die Leute auf eine Zeit von 80Jahren einen Bauzins zu entrichten hatten und ihnen nichts gehört außer dem Haus das sie sich so mühevoll gebaut hatten. Und das obwohl Grund und Baumaterial sowie das Darlehen samt Zinsen spätestens 1945 bezahlt hatten.
Für jene Siedlungsnehmer die dem Baurechtsvertrag sofort zustimmten, betrug der Bauzins einen Schilling pro Quadratmeter und Jahr.
Doch viele Leute waren sehr verunsichert und sie warteten noch zu. Für diese Siedler betrug der Bauzins dann sechs Schillinge.
Das ist ein Teil der Geschichte unserer Siedlung aus der Sicht eines Mannes der das alles von Kindesalter an erlebt, und seine Erlebnisse niedergeschrieben hat für Leute, die mit dem Begriff „Baurecht“ in Verbindung mit unserer Siedlung, nicht viel anfangen können.
Doch die Geschichte unserer Siedlung geht noch weiter.
Jahre später wurden dann die Straßen ins öffentliche Gut übernommen und danach Hochquellwasser, Kanal und Gas eingeleitet. Einleitungskosten mussten wieder von den Siedlern getragen werden.
Im Jahr 1990 startete die Gemeinde Wien eine Verkaufsaktion und bot den Baurechtssiedlern den Grund zum Kauf an. Der Quadratmeter kostete 580.-! Einige die das Geld aufbringen konnten, nutzten die Gelegenheit um endlich Ruhe zu haben. Aber alle konnten nicht kaufen und mussten weiter im Baurecht bleiben.
Im Jahr 1992 wurde vom Nationalrat eine bundesweite Baurechts-gesetzesnovelle beschlossen, um zu vermeiden das Wohnbaugenossenschaften zu viel kassierte Gelder an die Genossenschafter zurückzahlen müssen. Aufgrund dieser Novelle konnte der Bauzins der von Wohnbaugenossenschaften für auf Baurechtsgrund errichtete Wohnungen zu bezahlen war, rückwirkend erhöht werden. Das war zumindest der Sinn der Gesetzesnovelle.
Die Gemeinde Wien kam aber auf die Idee das Gesetz auch auf alle Baurechtsgründe in Wien auf denen Siedlungshäuser standen anzuwenden. So wurden den Baurechtsnehmern in der Siedlung vorgefertigte Verträge zugeschickt, mit der Aufforderung diese unterschrieben zurück zu senden. Aus dem Inhalt ging hervor, dass von nun an bis zu 65 000.- pro Jahr zu bezahlen waren. Das brachte die Leute aus der Fassung und es wurde nach einem Ausweg gesucht.
Es wurde lange beraten, was zu unternehmen war. Denn diesen hohen Bauzins wollte niemand hinnehmen. Nach langem Überlegen entschied man sich abzuwarten um zu sehen wie die Gemeinde Wien weiter vorgeht.
Die Siedler gingen davon aus, dass sie im Recht waren und deshalb auch nichts unternehmen mußten. Daher reagierte die Gemeinde Wien und verklagte jeden einzelnen Siedler.
Aus diesem Grund und um Kosten zu sparen, beschloss man gemeinsam einen Rechtsanwalt zu nehmen. Es wurden daraufhin eine Fülle von Gerichts-verhandlungen angestrengt in denen die Siedler zum Teil in ihrer Meinung bestätigt wurden, dass der Betrag von 65 000.- pro Jahr zu hoch war. Nach langen Verhandlungen in denen die Emotionen immer wieder hoch gingen einigte man sich dann auf einen vernünftigen Betrag der einer Wertsicherung unterlag.










